NVA Flugabwehrraketen-Stellung Klosterfelde

Im August des Jahres 1952 beschloß die DDR, eigene fliegende Einheiten aufzustellen, daneben wurden natürlich auch Flugabwehrstrukturen aufgebaut, die zuerst noch mit klassischen Flak-Geschützen ausgestattet waren. Anfang der sechziger Jahre wurde dann mit der Einführung sowjetischer Flugabwehr-Raketenkomplexe (FRK) begonnen. Neben mobilen Truppenteilen gab es auch eine größere Zahl stationärer Stellungen, die sich, ähnlich einem Nord-Süd-Gürtel, über die DDR verteilten.

Eine dieser Stellungen möchten wir als Beispiel zeigen. Hier war die FRA-4123 (Flugabwehr-Raketenabteilung 4123) stationiert, die zur 41. Fla-Raketenbrigade Hermann Duncker (Ladeburg/Bernau) der 1. Luftverteidigungsdivision Cottbus gehörte. Anfang der sechziger Jahre aufgestellt, war die Abteilung zuerst mit Raketen vom Typ "Dwina" (mit diesem System wurde die U2 von Powers abgeschossen), von den Siebzigern bis 1990 mit sechs Rampen (36 Raketen) des FRK S-75M "Wolchow" (NATO-Code: SA-2 "Guideline") ausgerüstet. Dieses Waffensystem hatte eine Reichweite von minmal 7km/maximal ca. 40 km in mittleren Höhen, in geringen Höhen von der Funkmeßsicht abhängig. Der 200 kg-Splittersprengkopf mit ca.50/50 Sprengstoff/Splittermantel hatte einen Wirkungsradius von ca. 60m gegen Flugzeuge, die Auslösung erfolgte durch Funkzünder in der Rakete, die Steuerung der Rakete durch Funkkommandolenkung.

Rakete SA-2 in Gatow

Eine FRA bestand in "normaler" Friedensstärke aus rund 130 bis 150 Personen in drei verschiedenen Kompanien und den rückwärtigen Diensten:

  • Die FuTK - Funktechnische Kompanie bestand, wenn sie gut besetzt war, aus ca 30 Leuten; davon 10 Offiziere, 10 Unteroffiziere und 10 Soldaten. Ihre Aufgabe war die Wartung und Bedienung der Raketenleitstation, die in einem zentralen Bunkerkomplex untergebracht war.
  • Die FüK - Führungskompanie bestand aus dem Nachrichtenzug und dem AZM-Komplex (Aufklärungs- und Zielzuweisungsmittel). Bei Bestand innerhalb einer FRBr (Fla-Raketenbrigade) mit AFS (Automatisiertem Führungssystem) gehörten zur Führungskompanie außer den konventionellen Draht-, Funk- und Richtfunk-Mitteln auch eine speziell für den Datentransfer des AFS bestimmte Richtfunkstelle, über die die Zieldaten der automatisierten Zielzuweisung an die FRA übermittelt wurden. Das AZM bestand, je nach geographischer Lage und Verfügbarkeit aus Rundblickstationen - RBS - der Typen P-12 oder P-18 und einem PRW (Pribor Wisotomer) des Types PRW-13. Letzterer Typ war in der Regel einheitlich, weil nur er eine genaue, für FRA brauchbare autonome Zielzuweisung liefern konnte. Die FÜK hatte in etwa eine Stärke von 40 Leuten.
  • Die SB (Startbatterie) hatte in Friedenszeiten maximal 4 von 6 notwendigen Startrampenbedienungen. In der Regel eher 3 und einen sogenannten MBZ (Montage/Betankungszug). Das war Grundstock für die früher mal vorhandene Technische Kompanie, die für den Nachschub (Lagerung; Montage und Betankung von Fla-Raketen zuständig) war. Auch dieser Bereich beschäftigte etwa vierzig Personen. Die Technische Kompanie wurde in den 80er Jahren als Technischer Zug in die Startbatterie eingegliedert.
  • Die Rückwärtigen Dienste umfaßten auch noch mal ca. 30 bis 40 Leute.


Die theoretisch in Kriegszeiten aufgefüllten FRA hätten dann eine Stärke ca. 500 bis 600 Personen gehabt. Bis auf die FUTK und FÜK, die jeweils um etwa zehn oder zwölf Soldaten verstärkt worden wären, hätten die anderen Bereiche ihren Personalbestand verdoppelt oder verdreifacht. Eine in Friedenszeiten gar nicht vorhandene Flak-Batterie Zu-23 (23mm) zum Selbstschutz wäre noch hinzugekommen. Da die NVA von Generälen der Landstreitkräfte geführt wurde und die Fla-Raketentruppen zu den "Truppen der Luftverteidigung des Landes" gehörten, waren von den 130 bis 150 Leuten meist nur 80 bis 100 anwesend. Der Rest war häufig in die Volkswirtschaft abkommandiert: Eisenbahn; Braunkohle; "Großbaustellen des Sozialismus" - bis hin zu Betreuern in Pionierferienlagern ging das Einsatzgebiet.

Untergebracht war die ganze Truppe im sogenannten A-Objekt: Eine klassische Kaserne mit zwei in der Regel zweigeschossigen Unterkunfts- und einem ebenfalls zweigeschossigen Stabsgebäude, Küchentrakt, Kfz-Werkstatt und -park; Klubgebäude mit Kantine und Kinosaal.

Befestigter Schützengraben an der Geländegrenze

Die Nähe zu Berlin und die umfangreichen, der Miltärforstverwaltung unterstehenden und für "Normalsterbliche" gesperrten Waldgebiete der direkten Umgebung führten wohl auch dazu, daß gerade die hier gezeigte Stellung zum bevorzugten Besichtigungsobjekt für ausländische Militärdelegationen wurde (und zum Ziel zahlreicher Jagdausflüge von NVA-Größen...). Einige miltärisch und technisch relativ unsinnige Objekte auf dem Gelände weisen auch tatsächlich darauf hin, daß hier Vorführungen, z.B. zur Gelände-Verteidigung gegen "Diversanten", feindliche Kommando-Unternehmen usw. , durchgeführt wurden.

NVA Flugabwehrraketen-Stellung Klosterfelde

Das Kernstück des Fla-Raketenobjektes, das sog. "B-Objekt", bildete der Gefechtsstand mit den Fz-Deckungen für die RLS (Raketenleitstation) und die Kabinen UW, AW, ZÄF, die Kopplungskabine zum AFS und Aggregaten für die Stromversorgung des ganzen. UW . UW kommt von "uprawlenje" - das war die Leitkabine mit Sichtgeräten, Arbeitsplätzen für Schiessenden, Leitoffizier und drei Funkortern. AW kommt von "apparatnaja", dort waren die Rechner für die Koordinatenbestimmung von Ziel und Rakete bzw. die dazugehörigen Folgesysteme, die Erarbeitung der Lenkkommandos für die Rakete, der Kommandosender für die Rakete und das SBZ (System zur Selektion beweglicher Ziele - passive Störungen, Regenwolken etc.) untergebracht. Die ZÄF war ein kleiner Anhänger mit der Apparatur zur Kennungsabfrage des Ziels (Freund-Feind-Kennung). Auch die Koppelkabine zum AFS war ein Halbhänger, der die Schnittstelle zum AFS der Brigade darstellte. Oben auf dem ganzen Baukomplex stand das "Hexenhaus, die Kabine PW ("Prijomnik i Peredatschik), die den Hochfrequenzteil der Sende- und Empfangsanlage der RLS und natürlich die Antennenanlage beherbergte. Die Dieselaggregate hatten eine Leistung von je 100kW, zwei wurden zum Einsatz benötigt, ein drittes war als Ersatz vorhanden. Das B-Objekt war durch einen Doppelzaun stark gesichert, in dessen Mitte ein Elektrozaun mit vermutlich tödlicher Stromstärke verlief.

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Die Feuerstellungen selbst waren sternförmig im Abstand von 80 bis 120m um den zentralen Bunker verteilt. Sie verfügten über elektrisch verschiebbare Dächer mit Tarnanstrich. Die startbereiten Raketen wurden mit TLF (Transport-Ladefahrzeuge, meist vom Typ SIL 157) von der Stellung der Technischen Kompanie in die Startbatterie gebracht. Drei Startrampen gehörten immer zu einem Zug der Startbatterie und die Besatzungen hielten sich in einem Erdbunker in der Nähe ihrer drei Rampen auf. Manche FRA (so auch diese) verfügten noch über ein "C-Objekt", das zur Lagerung, Montage und Betankung der Raketen diente und aus Bunkern oder offenen Lagerplätzen, Montage- und Betankungsbereichen bestand. Außer den sechs mit je einer scharfen Rakete bestückten Feuerstellungen befanden sich im B-Objekt noch drei nach vorn und hinten offene, erdüberdeckte Fahrzeugunterstände mit je 2 TLF + Zugfahrzeug Sil 157, gleichfalls mit scharfer betankter Rakete bestückt.Die restlichen ca. 20 Flugkörper lagerten in Komponenten in einem großen Bunker im C-Objekt.

NVA Flugabwehrraketen-Stellung Klosterfelde

Klosterfelde wechselte sich mit Beetz im sog. Diensthabenden System ab, zwei der vier Einheiten waren also immer gefechtsbereit. Abwechselnd alle zwei Jahre führen zwei der vieer Einheiten zum Scharfschießen nach Kasachstan.

Nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 ging die NVA in der Bundeswehr auf, die Waffensysteme wurden zum Teil übernommen, zum Teil verschrottet bzw. verkauft (so auch der FRK S-75M). Der hier gezeigte Standort wurde nicht von der Bundeswehr übernommen und stand viele Jahre leer. Der Kasernenbereich wird heute wieder privat genutzt, die Objekte B (Abschußbereich) und C (Lagerbereich) liegen brach. Viele der Bauten sind noch vorhanden, befinden sich aber größtenteils in schlechtem Zustand. An vielen Stellen liegen ausgebrannte Autowracks und anderer Müll herum.

Weitere Infos zur Luftwaffe der DDR gibt es u.a. bei DDR-Luftwaffe.de. Unser besonderer Dank gilt denjenigen, die uns als Zeitzeuge mit Innformationen über diese NVA-Truppen so großzügig versorgt haben.

Tags: DDR, FlaRak